Beschreibung der Thematik
Zu den jüngsten bildungspolitischen Reformen in Berlin gehört u.a. die Abschaffung der Vorklassen an den Grundschulen, die Auflage eines Bildungsprogramms für den Kindergarten sowie die neu geregelte Schulanfangsphase (mit vorgezogenem Einschulungsstichtag). Dies soll der bessere sprachlichen Förderung der Kinder dienen. Unklar ist jedoch, welche Auswirkungen sich auf die Entwicklung der mathematischen Kompetenzen der Kinder ergeben.
In den Vorklassen hatte neben spielorientierten Phasen die Vorbereitung auf das schulische Lernen einen hohen Stellenwert. Es wurde mit den Kindern lehrgangsmäßig u.a. an der Entwicklung mathematischer Vorläuferfähigkeiten gearbeitet (z.B. Relationsbegriffe, Ziffernschreiben, Zählen, Mengenerfassung). Die Kinder arbeiteten in einer altershomogenen Gruppe gemeinsam an denselben Themen. Geleitet wurden die Vorklassen teils von Grundschullehrkräften, teils von speziell fortgebildeten Erzieherinnen und Erziehern.
In den Kindergärten, die jetzt die Vorbereitung auf die Schule übernehmen sollen, herrscht situationsorientiertes Lernen vor. Die Initiative geht vom Kind aus. Es gibt einen hohen Anteil von Freispiel und wenig direkte Instruktionen. Die Kinder sind in altersheterogenen Gruppen zusammengefasst. Kindergartengruppen werden von Erzieherinnen und Erziehern geleitet, die in der Regel eine Fachschulausbildung haben, in der Mathematik so gut wie gar nicht vorkommt.
Im Projekttutorium soll es um diese Fragestellungen gehen: Wie wird mathematische Frühförderung im Kindergarten (unter den von der Politik veränderten Rahmenbedingungen) realisiert und welche Auswirkungen hat dies auf die mathematische Kompetenzentwicklung der Kinder? Diese Fragestellung ist für verschiedene Fachrichtungen von Interesse:
Für Studierende im Bachelorstudium in Grundschulpädagogik als Kernfach im Kombinationsstudiengang mit Lehramtsoption sind zwei Aspekte wichtig. Zum einen sollten Grundschullehrerinnen und -lehrer wissen, welche Erfahrungen Schulanfänger aus dem Kindergarten mitbringen, um daran anknüpfen zu können. Zum anderen eröffnet der Studiengang nicht nur eine spätere Tätigkeit in der Schule, sondern auch in anderen pädagogischen Bereichen wie z.B. dem Kindergarten. Deshalb ist es wichtig, sich schon jetzt mit dem Kindergarten zu beschäftigen.
Für Mathematikdidaktiker ist es interessant zu erfahren, welche Bedingungen die mathematische Kompetenzentwicklung positiv beeinflussen, um daraus ggf. Förderprogramme abzuleiten.
Entwicklungspsychologen interessieren sich grundsätzlich dafür, wie sich Kompetenzen von Kindern entwickeln. Sie können die Ergebnisse mit vorhandenen Modellen zur mathematischen Kompetenzentwicklung vergleichen.
Für Rehabilitationswissenschaftler ist der vorschulische Bereich von Bedeutung, weil sie wissen, dass fehlende oder ungenügend ausgeprägte Vorläuferfähigkeiten zu späteren Lernschwierigkeiten oder gar Lernbehinderungen führen können.
Studierende dieser (und noch andere) Fachrichtungen könnten die Arbeit im Projekttutorium bereichern.