Setting up a national school system in Ireland under semi-colonial circumstances facing religious struggles and tackling poverty brought on by the Famine
(Promotionsprojekt von Judith Kutter)
Projektbeschreibung
1831 wird in Irland mit dem sogenannten Stanley Letter ein nationales Schulsystem eingeführt. Die Bildung der Massen, insbesondere die Elementarbildung der armen Bevölkerung, kann als zentrales Thema der europäischen Nationalstaaten und Nordamerikas im 19. Jahrhundert betrachtet werden. Übereinstimmend geht es dabei wirtschaftlich und politisch um die Schaffung einer nationalen Identität und die Sicherung des wirtschaftlichen Erfolgs im Zeitalter der Industrialisierung. Bildung soll den Fortschritt vorantreiben und gleichzeitig vor den Gefahren des gesellschaftlichen Wandels schützen – Bildung, insbesondere eine verpflichtende Elementarbildung , wird als kostengünstiges Allheilmittel gegen Armut und Kriminalität, als Beförderer von Fleiß, Moral und Gehorsam in den Industriestädten und als Schutz vor politischer Rebellion und Revolution propagiert. Ein reger pädagogischer Austausch über kostengünstige und erfolgreiche Beschulung findet auf nationaler und internationaler Ebene statt. Irland stellt in diesem Gefüge einen besonderen Schauplatz dar. In ständiger Abhängigkeit von der Kolonialmacht England wird das nationale Schulsystem außerhalb des pädagogischen Diskurses auch politisch stark diskutiert: Von Beginn an steht es in Konkurrenz zu religiösen Bildungsstätten; die Professionalisierung neuer Lehrkräfte für die Nationalschulen läuft nur langsam an; das Bild des viktorianischen Lehrers oder der Lehrerin wird noch verhandelt; die Akzeptanz einer nicht explizit katholischen Erziehung wird vielerorts nicht von der Bevölkerung getragen, was bei wegbleibenden Schülern zu Finanzierungsschwierigkeiten führt und die flächendeckende Versorgung der Bevölkerung mit Bildung gefährdet; das Bild des fleißigen Fabrikarbeiters entspricht vielerorts nicht den ländlichen Lebenswelten der Iren. Hinzu kommt schließlich die verheerende Hungersnot durch die Kartoffelfäule in den 1840er und 1850er Jahren. Die theoretische pädagogische und politische Diskussion des Vorhabens Nationalschulsystem soll mit Dokumenten des schulischen Alltags und Reflexionen aus der britischen und irischen Presse verglichen werden, um festzustellen, welche Problemlagen und Konstellationen in dieser Zeit bestanden und in wie weit sie spürbar Einfluss hatten und dementsprechend im pädagogischen Diskurs sichtbar wurden. Ziel ist es etwas besser zu verstehen, wie das Großprojekt Nationalerziehung trotz erheblicher Schwierigkeiten und Widerstände zu einer Erfolgsgeschichte werden konnte.