Geschichte und Gegenwart des Poetry Slam im deutschsprachigen Raum
Diese bislang einzigartige Sammlung über den Poetry Slam bietet einen wertvollen Einblick in die Entwicklung und Gegenwart dieser Performancekunst im deutschsprachigen Raum seit 1995. Die Sammlung bietet verschiedene Zugänge und Artefakte, dokumentiert die lebendige und dynamische Geschichte des Poetry Slams und trägt zur Erschließung, Gestaltung und Förderung der Poetry-Slam-Kultur bei.
Link zur Sammlung
https://portal.wissenschaftliche-sammlungen.de/SciCollection/194589
Für die Wissenschaft
- Datenmaterial für Abschluss- und Qualifikationsarbeiten
- Bibliografie zur Geschichte und Gegenwart des Poetry Slam
- Primärliteratur (print, audio-, audiovisuell) seit 1990
- Verweise auf dezentral gelagerte physische Bestände
- Film- und Fotomaterial über die Orte und Persönlichkeiten der Poetry-Slam-Szene
- Organisationsstruktur und Korrespondenzen der Akteur*innen
- Merchandising-Artikel
- Forschung, insbesondere in den Literatur-, Sprach- und Kulturwissenschaften sowie der Deutschdidaktik und den Fremdsprachendidaktiken sowie der Pädagogik
- Materialien für die universitäre grundständige wie interdisziplinäre Lehre
Für die schulische Bildung
- Didaktisch-methodische Begleitmaterialien
- Möglichkeit, das Material in Fortbildungen bzw. in den Unterricht einzubeziehen oder Schüler*innen einen anschaulichen Zugang zu zeitgenössischer Literatur und Performance zu bieten.
- Förderung von Kreativität, Sprachfertigkeiten und Bühnenpräsenz in verschiedenen Bildungsbereichen
Für die Poetry-Slam-Szene
- Zugänge zu Traditionen und Materialien des Poetry Slam
Austausch zwischen internationalen Poetry-Slam-Szenen
Blick in die Sammlungseröffnung
Kontakt zu allen Fragen rund um die Sammlung: petra.anders@hu-berlin.de

Widmung von Marc Kelly Smith (2004)
Über die Sammlungsleiterin
Poetry Slam trifft Wissenschaft: Petra Anders und die Kunst der lebendigen Sprache
Petra Anders entdeckte ihre Leidenschaft für den Poetry Slam bereits in den 2000er Jahren – eine Begeisterung, die sie seither in Wissenschaft und Lehre trägt. Als Professorin verbindet sie Sprachkunst mit Didaktik, initiiert innovative Formate und erforscht die Bedeutung des Slams für den Deutschunterricht. Kürzlich eröffnete sie an der HU die erste wissenschaftliche Sammlung zur Geschichte des Poetry Slams im deutschsprachigen Raum.
Die Leidenschaft für den Poetry Slam entbrannte bei Petra Anders bereits Anfang der 2000er Jahre im berühmten „Bastard Slam“, einem der größten Slams in Berlin, Kastanienallee, Prenzlauer Berg. Petra Anders war damals Referendarin an einer Berliner Schule und auf dem Weg, Lehrerin für Deutsch und Geschichte in der Sekundarstufe zu werden. Sie hatte ihr Studium in Göttingen und Wien absolviert. Eines Abends schaute sie erstmals zu, wie Spoken-Word-Gedichte gesellig vorgetragen wurden. Das Genre – damals den meisten unbekannt – basiert auf selbstverfassten Texten, die in wenigen Minuten mündlich performt werden. Ob Lyrik, Rap, Freestyle, Poesie oder Geschichten, alles darf in Poetry Slam einfließen. Am Ende entscheidet das Publikum, wer gewinnt. Slampoet*innen unterhalten, berühren, bringen einem zum Lachen, regen zum Nachdenken an. Auch Petra Anders ist fasziniert. „Ich fragte mich, warum die Analyse von Gedichten Schüler*innen so schwerfällt und beim Poetry Slam hingegen auch junge Leute für Lyrik Schlange stehen.“
Poetry-Slam-Pionier*innen zu Gast an der HU
Und während sie Antworten auf diese Frage suchte, lernte sie die Pionier*innen der Berliner Poetry-Slam-Szene kennen, Wolf Hogekamp, Bas Böttcher, Nora Gomringer, Sebastian Krämer, Gauner, Felix Römer und andere, mit denen sie auch heute noch in Kontakt steht und zu unterschiedlichen Gelegenheiten zusammenarbeitet. Einige dieser sowie andere, internationale Szene-Mitglieder waren kürzlich auch zu Gast, als Petra Anders die erste wissenschaftliche Sammlung zur „Geschichte und Gegenwart des Poetry Slam im deutschsprachigen Raum“ an der HU eröffnete. Böttcher war der erste Humboldt-Spoken-Word-Poet im Winter- und Sommersemester 2023/2024 am Institut für Erziehungswissenschaften, wo er verschiedene Workshops und partizipative Kunstprojekte für Lehramtsstudierende anbot. Anders, seit 2018 Professorin für Deutschunterricht und seine Didaktik in der Primarstufe am Institut für Erziehungswissenschaften der HU, hatte das neue Artist-in-Residence-Programm eingeworben.
Im Austausch mit Berlin
Seit ihrem ersten Kontakt mit Poetry Slam hat sie zahlreiche Formate initiiert und organisiert – sie möchte nicht nur Schüler*innen und Studierende für einen kreativen Umgang mit Sprache begeistern, sondern auch in den Austausch mit der lebendigen Kultur einer Stadt treten. Diesen Ansatz wissenschaftlicher Lehre hat sie persönlich kennengelernt und ist auch heute noch begeistert davon. „Als ich in Wien studierte, lud Professor Schmidt-Dengler Größen der österreichischen Gegenwartsliteratur wie Ernst Jandl und Friederike Mayröcker zum Gespräch in die Vorlesung ein“, erinnert sie sich.
Zusammenarbeit mit Schulen
Diese unmittelbare Begegnung inspirierte sie. 2017 rief sie den „Praxisschock-Slam“ an der HU ins Leben. Er versteht sich auch als Teil der Professionalisierung von Lehrkräften. Lehramtsstudierende können über ihre ersten Erfahrungen aus der Schulpraxis auf der Bühne des GRIPS-Theaters vor Publikum slammen. 2024 etablierte sie den Kinder-Kiez-Slam im Humboldt Labor, den sie zusammen mit dem damaligen Humboldt-Poeten Bas Böttcher, ihrer Mitarbeiterin Leona Schenke und Bastian Herbst vom Humboldt Labor für Berliner Grundschulen organisiert. Ziel ist, die künstlerische und sprachliche Entwicklung von Kindern im Grundschulalter zu fördern und ihnen eine Community zu bieten, in der sie ihre Ideen und Emotionen frei ausdrücken können. „Für den diesjährigen Termin am 30. Juni gibt es schon Anmeldungen für 24 Workshops, in denen sich die Kids für das Event vorbereiten“, freut sie sich. Und wünscht sich, dass Lehrer*innen ihre Schüler*innen ermuntern, auch in anderen Herkunftssprachen als Deutsch zu präsentieren. Wir fördern so Literary Citizenship, sagt sie.
Vom ersten eigenen Buch zu Poetry-Slam-Meisterschaften
Ob sie jemals selbst auf einer Bühne gestanden und Texte vorgetragen hat? Nein. Davor habe sie zu viel Respekt. Aber das Beobachten, Analysieren, Vernetzen habe sie gleich beim ersten Mal gepackt und resultierte erst einmal in der Veröffentlichung eines Buches im Jahr 2004. Es richtete sich an Lehrende wie Schüler*innen gleichermaßen und zeigte, wie man zum Slam-Poeten wird. Mit „Poetry Slam. Live-Poeten in Dichterschlachten“, herausgegeben vom Verlag an der Ruhr, warb sie an Schulen für den Poetry-Slam-Workshop im Unterricht und gab selbst Workshops in ihren eigenen Klassen. „Meine Buch Release Party war auch gleich der Auftakt für den U20 Poetry Slam“, erinnert sich Anders. Ein Slam, der sich an junge Leute unter 20 Jahren richtete. 2007 organisierte sie die U20-Poetry-Slam-Meisterschaften, warb als Nachwuchswissenschaftlerin Drittmittel für vorbereitende Workshops ein. Der Admiralspalast füllte sich mit begeisterten jungen Slammer*innen. Die Meisterschaften sind immer noch das jährliche Highlight der jungen Poetry-Slam-Szene.
Wie sieht die Slam-Szene in den USA aus?
Ihr erstes Buch stellte Petra Anders nicht nur an Schulen, sondern auch Ulf Abraham vor, damals Professor in Würzburg, heute Seniorprofessor im Arbeitsbereich bei Petra Anders an der HU. Sie vertiefte ihr Wissen dann an der Universität Bremen mit der ersten Dissertation zum Thema „Poetry Slam im Deutschunterricht“, die in mehrfacher Auflage vorliegt. Auf diese ersten Veröffentlichungen zum Poetry Slam folgten 20 weitere, die teilweise auch in den USA entstanden sind, wo sie Visiting Scholar an der Columbia University war und zur Filmbildung arbeitete. „Ich bin ursprünglich 2007 nach New York und San Francisco geflogen, um die US-amerikanische Poetry-Slam-Szene kennenzulernen, das Genre kommt ja aus den USA“, berichtet sie. Ein Aufenthalt, der viel länger dauerte als geplant. In den USA lernte sie ihren zukünftigen Mann kennen und bekam drei Kinder.
Preis für gute Lehre
2012 kam sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin an die HU, forschte in der Fachdidaktik des Instituts für deutsche Literatur. Es folgten eine Juniorprofessur in Leipzig und eine Professur an der Freien Universität Berlin. In ihrer Lehre und Forschung beschäftigt sie sich aktuell schwerpunktmäßig mit Leseförderung, Filmdidaktik, Spoken Word Poetry und dem Deutschunterricht in der Digitalität. 2021, während der Pandemie, erhielt Anders den Preis für gute Lehre der HU für ihre hybride Vorlesung zur Einführung in die Deutschdidaktik. Sie hatte ein Hörbuch aufgenommen, das sie mit den Studierenden diskutierte und das sich bis heute weiterentwickelt
Sammlung in der Geschwister-Scholl-Str.
„Ich habe mich seinerzeit wegen der kulturwissenschaftlichen Ausrichtung des Instituts für Erziehungswissenschaften für die HU entschieden. Die HU ist außerdem eine Uni, die einen unterstützt, wenn man für etwas brennt.“ Für ihre jüngsten Aktivitäten, die Eröffnung der Poetry-Slam-Sammlung, arbeitet sie gerne mit Oliver Zauzig, dem zentralen Sammlungskoordinator der HU, zusammen, der das Projekt engagiert mitgetragen hat. Die Sammlung wird im Südturm des Instituts für Erziehungswissenschaften in der Geschwister-Scholl-Straße zu finden sein. Petra Anders steht hier als kompetente Leiterin der Sammlung für Forschende bereit, auch Spezialfragen zum Poetry Slam engagiert anzugehen.
Autorin: Ljiljana Nikolic
Publikationen zum Poetry Slam (Auswahl)
- Anders, Petra (2025, in Vorb.): Von Spoken Word zum Poetry Slam zur Literary Citizenship. In: Standke, Jan (Hg.): Gegenwartslyrik. Beltz.
- Anders, Petra (2025): Poetry Slams als Lerngelegenheiten der Demokratiebildung. In: Anselm, Sabine (Hg.): Demokratiebildung_Sprache. Der Deutschunterricht, 2/2025, 34-42.
- Anders, Petra (2025): „Die Kinder platzen brav” – Vergegenwärtigungen von Schulerfahrungen durch literarisches Schreiben. In: Merlin, Dieter/Mitterer, Nicola/Hajnalka Nagy (Hg.): Vergegenwärtigungen. Künstlerische Praxen – didaktische Reflexionen. Kopaed, 211-228.
- Anders, Petra (2025, im Druck): Spoken Word Poetry als fluide Texturen in der Partizipationskultur der Digitalität, In: tba
- Anders, Petra (2023): Poetry Slam – ein diversitätssensibles, deliberatives Handlungsfeld zur Artikulation von „Praxisschock-Erfahrungen” in der Lehrkräftebildung? In: Bramberger, Andrea/Seichter, Sabine (Hg.): Literacy und soziale Gerechtigkeit. Theorie – Empirie – Praktiken. Beltz Juventa, 70-85.
- Anders, Petra (2021, 8. Auflage): Poetry Slam. Unterricht, Workshops, Texte, Medien. Deutschdidaktik aktuell, Bd. 34, Baltmannsweiler: Schneider Verlag Hohengehren, (1. Auflage 2011).
- Anders, Petra (2015, 3. Auflage): Poetry Slam im Deutschunterricht. Aus einer für Jugendliche bedeutsamen kulturellen Praxis Inszenierungsmuster gewinnen, um das Schreiben, Sprechen und Zuhören zu fördern. Dissertation, Baltmannsweiler: Schneider Verlag Hohengehren (1. Aufl. 2010). https://box.hu-berlin.de/f/0b3501af67854d64b83e/
- Anders, Petra (2012): Intermedialität der Slam Poetry, in: Inter- and transmedial Literature - Literatur inter- und transmedial, Hg. von David Bathrick und Heinz-Peter Preußer: Amsterdamer Beiträge zur neueren Germanistik, New York: Rodopi, 281-310.
- Anders, Petra; Abraham, Ulf (Hg.) (2008): Poetry Slam und Poetry Clip. Praxis Deutsch, Heft 208. Abrufbar unter: https://www.ewi-psy.fu-berlin.de/grundschulpaedagogik/arbeitsbereiche/grundschulpaed-deutsch/ressources/PRAXIS-DEUTSCH_Zeitschrift-fu_r-den-Deutschunterricht_2008_Praxis-Deutsch_Poetry-Slam-und-Poetry-Clip.pdf
- Anders, Petra (2008): Texte auf Wanderschaft. Slam Poetry als Schrift-, Sprech- und AV-Medium, in: Literatur im Medienwechsel. Mitteilungen des Deutschen Germanistenverbandes, hg. von Dietmar Till und Andrea Geier, Bielefeld: Aisthesis, Heft 3, 55. Jahrgang, 306-320.
- Anders, Petra (Hg.) (2008): Slam Poetry. Texte und Materialien für den Unterricht, Stuttgart: Reclam, 103 S.