Humboldt-Universität zu Berlin - Kultur-, Sozial- und Bildungswissenschaftliche Fakultät - Abteilung Erwachsenenbildung/ Weiterbildung

Definitionen

Programme von Weiterbildungsinstitutionen und Organisationen:

  • geben mit ihren nach Schwerpunkten strukturierten Angeboten die Produktpalette der Weiterbildungsanbieter wieder;
  • sind Zeugnisse für das rhizomartige Wachstum der Weiterbildungslandschaft;
  • verweisen auf neue Schwerpunktsetzungen, machen Entgrenzungen und neue Verbindungen im Prozess der Wissensgenerierung sichtbar;
  • zeigen Relationen und Verschiebungen zwischen Gesamtangebot und einzelnen Programmfeldern;
  • können verdeutlichen, wie regionale Aspekte und die Programme der Institutionen zusammenspielen (vgl. „Weiterbildung als Teil der Regionalentwicklung“);
  • lassen erkennen, was aus bestimmten bildungspolitischen Konzepten im Verlauf praktischer Realisierungen wird;
  • erbringen Befunde über den Modellierungsansatz von Wissen und
  • geben darüber Auskunft, wie von den Professionellen geplant wird (vgl. auch „Kooperatives Management“).

 

Wir bewegen uns mit der Programmforschung in einem Kernbereich moderner Weiterbildungsforschung, die sich auf den Prozess der Veränderungen im Bildungsbereich forschend und nicht bildungspolitisch normativ argumentierend einlässt. Wirklichkeit als gestaltete Realität trifft durch diese Forschung auf neue bildungspolitische Absichten, oder regt bildungspolitische Initiativen an. Wichtig ist für diesen Kontext, dass nicht unhinterfragt bildungspolitisch gesetzte Prämissen normativ als Ausgangspunkt genommen werden.

 

IMG_8015_b.jpgProgrammanalysen und erwachsenenpädagogische Forschungsergebnisse erweitern den Betrachtungsspielraum und können wichtige Anregungen für Programmplanungen und -gestaltungen liefern, wenn sie denn von der Praxis- und PolitikvertreterInnen rezipiert werden.

 

 

 

Wir können Programme als Ausdruck von pädagogischen Handlungskonzepten betrachten, in die sowohl konzeptionelle Überlegungen als auch nachfrageorientierte Vorstellungen eingehen, da die Finanzierung nicht wie im schulischen Bereich gesichert und die Teilnehmenden immer gleichzeitig als KundInnen im Blick sind (vgl. auch „Wissensinseln im Programmplanungsfeld“).

 

Als Ergebnis von Forschungsprojekten sind darüber hinaus Definitionen, Systematiken und Metaphern entstanden, die im Folgenden auch in der Form von Schemata wiedergegeben werden.

 

 

 

Rhizomartiges Wachstum

"Theoretisch betrachten wir die Entwicklung einer offenen Weiterbildungslandschaft als eine rhizomartige Entwicklung. Wir greifen dabei auf theoretische Ausführungen von Deleuze und Guattari zurück (Deleuze/Guattari 1977, Zechner 2003). Mit Rhizom wird ein nichthierarchisches Wurzel- und Nebenwurzelsystem charakterisiert, das keiner systematischen Logik folgt. Es ist ausgewiesen durch Spontanität, Ungerichtetheit, aber Passgenauigkeit, sowie Heterarchie und unterliegt permaneneten Veränderungen. Der Rückzug des Staates meint wurzelartige, nicht hierarchisch sich entwickelnde, offene Strukturen, die sich ausdehnen, zurück gehen und sich vernetzten können."

Enoch, C./Gieseke, W.:Wissensstrukturen und Programmforschung. Programmforschung als empirischer Zugang zur Bildungsarbeit der Weiterbildungsinstitutionen. 2011. (pdf)

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Programme

Das Programm einer Weiterbildungseinrichtung ist die Scharnierstelle zwischen Institution und Öffentlichkeit und Individuen. Es repräsentiert die Institution und verbindet sie mit den Teilnehmenden. Es spiegelt die Kontinuität einer Institution. Programme sind makrodidaktisch konzipierte Angebote, die eine Mixtur von Lernarrangements, Projekten, Kursen, Gesprächskreisen, Zielgruppenkonzeptionen bereit halten und diese jahres- oder halbjahresbezogene Planung unter einem Fokus bündeln. Mit dem Programm oder den Programmschwerpunkten zeigt eine Weiterbildungsinstitution, wie sie Bildung und Qualifizierung für Erwachsene anbietet. Das Programm ist Ausdruck eines bestimmten Lernkonzepts. Es kann von Inhalten, Fachstrukturen, von Alltags- und Verwendungssituationen, von Verwertungsinteressen, Qualifikationsansprüchen Dritter im beruflichen Kontext bestimmt sein, es kann für polyvalente Zusammenhänge maßgeblich sein. Das Programm ist dann Produkt pädagogischen Planungshandelns und dabei immer neu erarbeiterter Entscheidungen. Es ist zeitgeschichtlich materialisierter Ausdruck gesellschaftlicher Bildung und beeinflusst durch bildungspolitische Rahmungen nachfragende Teilnehmerinnen und gefiltert durch professionell Handelnde. Über das Programm repräsentiert sich die Region. Eine Programmanalyse ist eine Ist-Stands-Analyse, die sowohl die empirische Bildungswirklichkeit präsentiert, als Längsschnittanalyse gibt sie gesellschaftliche Entwicklungsverläufe wieder und kann die Arbeit der Bildungsinstitution im Spannungsverhältnis zu bildungspolitischen Vorstellungen in der Zeit setzen. Die Programmanalyse zieht den Trennstrich zwischen bildungspolitischen Prozessen oder Absichtserklärungen und der faktischen Bildungsarbeit der Institution. (Vergleiche: Gieseke, W./Opelt, K. (2003) und Gieske, W./Opelt, K. (2005) S.43)

Gieseke, W./Opelt, K. (2003): Erwachsenenbildung in politischen Umbrüchen. 1. Auflage Leske + Budrich. Opladen

Gieseke W., Kargul J. (Hrsg.): Europäisierung durch Kulturelle Bildung. Bildung - Praxis - Event

* Band 1: Gieseke, W./Opelt, K./Stock, H./Börjesson, I.: Kulturelle Erwachsenenbildung in Deutschland -
  Exemplarische Analyse Berlin/Brandenburg. Münster u.a. 2005

* Band 2: Depta, H./Kargul, J./Pólturzycki, J. (Hrsg.): Kulturelle Erwachsenenbildung in Polen am Beispiel Lubuskie, Warschau und Plock.
  Münster u.a. 2005

* Band 3: Deutsch-polnische Forschergruppe (Hrsg.): Interkulturelle Betrachtungen Kultureller Bildung in Grenzregionen -
  mit Buckower Empfehlungen. Berlin: Humboldt-Universität, 2005 (Erwachsnenpädagogischer Report; Bd. 6)

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Methodisches Vorgehen: Typen von Programmanalysen

 
   Typ 1: Qualitative Verfahren Typ 2: Qualitativ-quantitative Verfahren Typ 3: Triangulation von qualitativ-quantitativen mit weiteren qualitativen und/oder quantitativen Verfahren
Vorgehen

Arbeitsschritte entsprechend der unterschiedlichen Standards verschiedener qualitativer Verfahren (vgl. NOLDA 1998):

semiotisch-textanalytisch, strukturhermeneutisch, diskursanalytisch, inhaltsanalytisch.

Gegenstand der Analyse können sowohl der Text, der Aufbau des Programmhefts, als auch Symbole, Logos oder Grafiken sein.

Schritt 1: Kodierung

Kodierung von Programmen anhand eines Kodebuchs.

Textanalyse ist qualitativ interpretierend angelegt.

 

Schritt 2:

Datenprüfung

Datenüberprüfung, Rückfragen bei Anbietern; Diskussion, Entscheidung, Dokumentation strittiger Fälle

 

Schritt 3: Analyse

Aufbereitung der Ergebnisse in quantifizierbarer Form. Interpretation der Ergebnisse unter Verwendung qualitativer Gesichtspunkte.

Schritt 1: Kodierung

Kodierung von Programmen anhand eines Kodebuchs. Textanalyse ist qualitativ interpretierend angelegt.

Schritt 2: 

Datenprüfung

Datenprüfung, Rückfragen bei Anbietern; Diskussion, Entscheidung, Dokumentation strittiger Fälle

Schritt 3: Analyse

Aufbereitung der Ergebnisse in quantifizierbarer Form. Interpretation der Ergebnisse unter Verwendung qualitativer Gesichtspunkte

Schritt 4: Triangulation

Interpretation und Verschränkung der Ergebnisse unter Verwendung weiterer Methoden (z.B. Fragebogen an Anbieter, Sekundäranalyse von Teilnahmestatistiken, Dokumentanalyse, Experteninterviews), etwaige Revision von Ergebnissen

Schritt 5:

Aufbereitung der Ergebnisse in quantifizierbarere Form. Interpretation der Ergebnisse unter Verwendung qualitativer Gesichtspunkte und weiterer Methoden.

Beispiele

NOLDA (1998);

SCHRADER (2003)

TIETGENS (1994)

KÖRBER et al. (1995),

KÄPPLINGER (2007)

KADE (1992); HENZE (1998); GIESEKE (2000); HEUER und ROBAK (2000);

GIESEKE und OPELT (2003);

GIESEKE u.a. (2005)

Käpplinger, B.: Programmanalysen und ihre Bedeutung für pädagogische Forschung. Berlin 2008. In: Forum Qualitative Sozialfoschung/Forum: Qualitative Social Research, 9(1), Art. 37

Übersicht über die Programmanalyse

 

 

 

 

Trägeranalysen

 

 

 

 

 

 

 

 

Programmplanungsanalyse

Methoden:

qualitative Angebots- und Nachfrageanalyse,

Ankündigungsanalyse,

Profilvergleich der Institutionen und Programme,

gezielte Vergleiche

 

 

 

Regionalanalysen

 

 

 

 

 

 

Institutions-/ Organisationsanalyse

 

 

Programme /

Vernetzungen

(trägerübergreifend)

 

Bereichsorientierung:

Kuturelle Bildung,

Berufliche Bildung

Politische Bildung,

Ökologie, Umwelt,

Medien

 
Börjesson, I., Zimmermann, U.: Weiterbildungsentwicklung im Modus von Angleichungshandeln. Modell neuer vernetzter Programmgestaltung in einer Region. Abschlussbericht. Unveröff. Manuskript. Berlin 2008.

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Verknüpfung von Wissensinseln im Programmplanungsfeld: 

Programmplanungshandeln als vernetztes Handeln

 

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Gieseke, W. (Hrsg.) (2000): Programmplanung als Bildungsmanagement? Qualitative Studie in Perspektivverschränkung. Begleituntersuchung des Modellversuchs „Entwicklung und Erprobung eines Berufseinführungskonzepts für hauptberufliche Erwachsenenbildner/-innen“. Recklinghausen, S. 330

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Kooperatives Management

Kooperatives Managementneu1.jpeg

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Gieseke, W. (Hrsg.) (2000): Programmplanung als Bildungsmanagement? Qualitative Studie in Perspektivverschränkung. Begleituntersuchung des Modellversuchs „Entwicklung und Erprobung eines Berufseinführungskonzepts für hauptberufliche Erwachsenenbildner/innen“. Recklinghausen, S. 335

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Programmplanungshandeln

  • Programmplanungshandeln verlangt  ein vernetztes Handeln, das verschiedene Entscheidungsfelder durchläuft
  • Diese haben die Planenden nicht nur mit dem Verweis auf die Nachfrage oder die bildungspolitlsche Begründung darzustellen, wenn das Programm, und darin die Anbote und Projekte, im Kontext regionaler Vernetzung von Wissen, für die Bildung  Erwachsener ernst gemeint sind.
  • Programmplanung erfolgt passgenau. Für jedes Angebot kann sich ein anderer Planungsverlauf als richtig erweisen.
  • So trifft der/die Planer/in Entscheidungen in der Weise, dass er/sie den planerischen Aufwand begründet optimieren und reduzieren kann.   
  • Will man einen neuen Schwerpunkt einrichten, bedarf es einer Verkopplung von Bedürfniserschließung, Bedarfserhebung, Ist-Analyse, Öffentlichkeit, Dozentengewinnung, abgestimmter Angebotsentwicklung und Evaluation.
 
Gieseke, W.: Bedarfsorientierte Angebotsplanung in der Erwachsenenbildung. Blelefeld 2008, S. 108.

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Weiterbildung als Teil der Regionalentwicklung

 
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Börjesson, I., Zimmermann, U.: Weiterbildungsentwicklung im Modus von Angleichungshandeln. Modell neuer vernetzter Programmgestaltung in einer Region. Abschlussbericht. Unveröff. Manuskript. Berlin 2008.
 

Weiterführende Aufsätze

Die folgenden Artikel vertiefen die oben dargestellten Ergebnisse der Abteilung Erwachsenenbildung/Weiterbildung.

 

  • Gieseke, W. (2012): Profession. In: Dörner, O./ Schäffer, B.: Handbuch Qualitative Erwachsenen- und Weiterbildungsforschung. Leverkusen/Opladen: Barbara Budrich

 

 

 

 

 

  • Wörterbuch Erwachsenenbildung. Hg. v. Rolf Arnold, Sigrid Nolda, Ekkehard Nuissl. 2., überarb. Aufl., Verlag Julius Klinkhardt / UTB. ISBN 978-3-8252-8425-1. 2010 Julius Klinkhardt
    • Gieseke, W.: Professionalität und Professionalisierung
    • Nolda, S.: Programme
    • Schlutz, E.: Angebot
    • Schlutz, E.: Programmplanung