Humboldt-Universität zu Berlin - Kultur-, Sozial- und Bildungswissenschaftliche Fakultät - Sachunterrichtsdidaktik

Weiterentwicklung des Sachunterrichtssatelliten

Entwicklung des Sachunterrichtssatelliten - Ergebnisse einer Lehrveranstaltung aus dem WiSe 2011/2012

Im Zuge eines naturwissenschaftlich technischen Seminars in der Sachunterrichtsausbildung an der HU Berlin wurde von Florian Schütte zusammen mit Studierenden im WS 11/12 das theoretische Konzept für den Sachunterrichtssatelliten der Grundschulwerkstatt der HU weiterentwickelt und begonnen, dies praktisch umzusetzen.

Der Sachunterrichtssatellit

Der Sachunterrichtssatellit ist ein der Grundschulwerkstatt zugehöriger Raum, der jedoch speziell dem Sachunterricht unterstellt ist. Zu Beginn des Seminares existierte bereits der Raum samt Mobiliar, Ansätze eines Konzepts sowie einige ausgewählte Alltags- und Fachmaterialien. Zudem befand sich ein kleiner Bestand an Schulbüchern und Nachschlagewerken im Raum. Die Konkretisierung der ersten Konzeptideen fehlte allerdings. So entstand die Idee, gemeinsam mit Studierenden des fünften Semesters das theoretische Konzept weiter zu entwickeln und auch (soweit wie möglich) praktisch umzusetzen, so dass am Ende des Seminars Semesters ein Raum vorhanden ist, der aktiv von verschiedenen Personengruppen (Studierenden, Kindern, LehrerInnen) genutzt werden kann.

Der theoretische Rahmen

Zu Beginn stand die weitere Erarbeitung eines theoretischen Rahmens, innerhalb dessen sich der Sachunterrichtssatellit verorten sollte. Die Eckpfeiler des Konzeptes bildeten verschiedene Diskurse der Sachunterrichtsdidaktik: Umgangsweisen als Ausgangspunkt einer Strukturierung des Sachlernens (Pech/Rauterberg 2008), konstruktivistische Sichtweisen auf das Sachlernen (Rauterberg 2007; Möller 2006) sowie das Leitbild einer Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) (de Haan 2008, Stoltenberg 2004). Hinzu genommen wurden noch Grundannahmen des Lernens in Lernwerkstätten (Bolland 2004, Wedekind 2011), da der Raum strukturell am ehesten als Lernwerkstatt gekennzeichnet ist und im Kontext der Grundschulwerkstatt steht.

Die Kriterien

Aus diesen Diskursen wurden Kriterien entwickelt, auf deren Basis dann konkrete Ideen für den Raum erarbeitet werden sollten. Die Kriterien sollten das gesamte Spektrum des abgesteckten Rahmens berücksichtigen. So entwickelten die Studierenden in Gruppen unterschiedliche Kriterien, welche sich auf die äußere Gestaltung als auch auf die inhaltliche, thematische Ausrichtung des Satelliten bezogen. Dabei wurde folgendermaßen vorgegangen: Es wurde zunächst ein Kriterium als Aussagesatz formuliert, an welches dann konkrete Fragen bezüglich der Operationalisierung, der praktischen Gestaltung des Raumes gestellt wurden:

Beispiel
  • Der Sachunterrichtssatellit lässt eigenes Entdecken und Interpretieren zu und verweist anhand der Gegenstände nicht auf einen bestimmten Kontext oder ein bestimmtes Wissen
  1. Wird auf konkrete, verbindliche Lernziele verzichtet, wenn ja: wie?
  2. Ist es möglich individuell zu arbeiten, wenn ja: wie?
  3. Wird auf eine Zuschreibung von Gegenständen zu bestimmten Themen verzichtet, wenn ja: wie?

Weitere (übergeordnete) Kriterien sind:

  • Gegenstand des Sachunterrichtssatelliten sind Umgangsweisen. Dies bedingt auch die Auswahl der vorhandenen Materialien.
  • Der Sachunterrichtssatellit orientiert sich an einem konstruktivistischen Lernverständnis.
  • Der Sachunterrichtssatellit ermöglicht ein selbstgesteuertes, aktiv-entdeckendes Lernen.
  • Der Sachunterrichtssatellit bietet eine inspirierende und anregende Lernumgebung.
  • Die Inhalte, die Sachen des Sachunterrichtssatelliten berücksichtigen das Leitbild von Bildung für nachhaltige Entwicklung.
  • Der Sachunterrichtssatellit ist ein sich stetig entwickelnder Raum.
  • Der Erwachsene ist Lernbegleiter.

Das Konzept

Basierend auf diesen Kriterien wurden wiederum in Gruppen unterschiedliche Ideen für ein Konzept entwickelt, die schließlich zusammen in einem vorläufigen Raumkonzept umgesetzt werden sollten. Dabei waren zwei Ausgangspunkte differenziert zu berücksichtigen. Zum einen sollte die äußere Gestaltung des Raumes beachtet werden, also die Raumaufteilung, die Anordnung und Präsentation der Materialien usw. Zum anderen sollte die inhaltliche und thematische Ausrichtung berücksichtigt werden, also wie die Materialien angeboten werden sollen, ob und gegebenenfalls wie sie aufbereitet werden sollen, welche Denkanstöße und Ideen gegeben werden sollen. Diese beiden Bereiche sind nicht immer sauber und eindeutig zu trennen (gewesen), da auch die räumliche Aufteilung die thematische Ausrichtung mit beeinflusst.

Die räumliche Gestaltung

Der Sachunterrichtssatellit besteht aus einem rechteckigen Hauptraum und einem kleinen Vorraum mit einer Spüle. Im Hauptraum stehen sechs Einzeltische, die verschieden zusammengestellt werden können. An einer schmalen Seite des Raumes finden sich durchgängig Regale, in denen Materialien aufbewahrt werden können. Vor diesem Regal sind bewegliche Tafelelemente angebracht. An der gegenüberliegenden schmalen Seite besteht die Möglichkeit, Poster, Bilder, etc. zu präsentieren. Außerdem befindet sich dort eine Fläche auf die mit einem unter der Decke befestigten Beamer projiziert werden kann. An der länglichen Seite zum Vorraum hin befinden sich verschiedene Regale, in denen Bücher oder Materialien verstaut werden können. An der gegenüberliegenden Fensterseite finden sich auf einer Hälfte Regale, die teilweise mit einer Arbeitsplatte versehen sind, und auf der anderen Seite ein Tisch mit einem Computer sowie ein Regal für Software. Auch bei der räumlichen Gestaltung wurde der BNE-Ansatz berücksichtigt: So sollen die angebotenen Materialien fair gehandelt und ökologisch verträglich sein. Weiterhin soll versucht werden den Raum energieeffizient (in Bezug auf Heizen/Lüften und Stromverbrauch) zu nutzen.

Die inhaltliche Gestaltung

Den Kern des Raumes sollen neben einer Computerecke und einer Literaturecke die Materialien bilden, die zu einer theoretischen und praktischen Auseinandersetzung anregen sollen. Dabei wurde zunächst zwischen zwei größeren Bereichen unterschieden: Verbrauchs- und Werkmaterialien und Sachmaterialien. Zu den Verbrauchs- und Werkmaterialien gehören Werkzeuge (Hammer, Säge, Schere…), Bastelmaterialien (Kleber, Stifte…) und Verbrauchsmaterialien (Papier, Pappe, Holz, Stoff,…). Auf diese erste grobe Aufteilung konnte sich relativ schnell oder besser relativ geschlossen geeinigt werden.

Sortierung nach Themen, aber: alles ist mit allem kombinierbar!

Schwieriger war es bei der Findung und Sortierung des übrigen Sachmaterials nach Themen, zumal eines der Kriterien „Der Sachunterrichtssatellit lässt eigenes Entdecken und Interpretieren zu und verweist anhand der Gegenstände nicht auf einen bestimmten Kontext oder ein bestimmtes Wissen“ lautet. Es sollte also vermieden werden, bestimmte Sachen einem bestimmten Thema zuzuordnen und dessen Zugehörigkeit hierzu damit zu implizieren. Allerdings ist bei einer Sortierung des Materials nach Themen unvermeidlich, dass bestimmte Materialien einem bestimmten Thema zugeordnet werden. Daher soll stets gelten: alles ist mit allem kombinierbar.

Das Seminar hat sich darauf verständigt das bereits vorhandene Material zunächst nach drei großen Themenbereichen zu ordnen: Wasser, Energie, Bauen/Konstruieren. Die Themenbereiche wurden bewusst groß gewählt, um nicht in einzelne Bezugsdisziplinen zurück zu fallen und eine umfassende Bearbeitung des Gegenstandes zu ermöglichen. Dabei wurde sichtbar, dass bisher zu wenig Material zu den Themen vorhanden ist: zu Energie gibt es fast ausschließlich Material zu elektrischer Energie (obwohl hier auch andere Energieformen eine Rolle spielen und mit inbegriffen sind); zu Wasser gibt es bisher fast nur Materialien, in denen Wasser aufbewahrt werden kann (Gläser, Schläuche, …). Daher wurde eine Liste mit Sachen erstellt, die ergänzt werden müssen, um einen umfassenderen Materialgrundstock anbieten zu können. Weiterhin hat sich beim Räumen gezeigt, dass einige Sachen, die bereits vorhanden waren, nur schwer oder gar nicht in die ausgewählten Themenbereiche einzuordnen sind. So hat sich ergeben, dass ein weiteres Thema hinzugenommen wurde: Sehen/anders Sehen. Zudem wurde der Bereich Material ergänzt. Es gibt einen Bereich zum Thema Messen, in dem verschiedene Messgeräte (Waage, Messbecher, Lineal, Uhr,…) zusammengefasst wurden. Ebenfalls neu dazugekommen ist der Bereich Labor, in welchem Gegenstände wie Reagenzgläser, Pipetten, … aufbewahrt werden.

Zusammenfassend gibt es nun folgende Bereiche:

Material: Werkzeug, Bastelmaterialien, Werkmaterial, Labor

Themen: Energie, Wasser, Bauen, (anders) Sehen

Themen/Material: Messen

Die Gegenstände zu diesen Bereichen werden in dem großen Regal offen und teilweise in Kisten aufbewahrt.

Verbrauchs-MATERIAL

BAUEN

ENERGIE

WASSER

Labor-MATERIAL/MESSEN

Stoffe, Wolle

 

Kerzen, Magnete

Schwimmsteine, Öl, Salz, Spülmittel

Reagenzgläser, Pipetten

Haushaltssachen

Fortbewegung

     

Papier

Fischertechnik

Solar, Wind

Trichter, Schlauch

Messzylinder, Waage

Überraschungseierdosen, Korken

Metallbau

Schalter, Kabel,…

Gläser, Flaschen

Lineal, Uhr, Thermometer

Schachteln, Papprollen

Holz

Nicht-zugeordnetes

Wannen, Schalen

 

(Wandregal)

Nägel, Schrauben

 

Kleben

Feile, Hammer, Bohrer

 Tür zum Technikraum

Malen, Basteln

Sägen, Sägeblätter

 

Farben

Werkzeugkoffer, Lötkolben

   

(Türregal)

Die einzelnen Fächer sowie auch die einzelnen Säulen werden beschriftet. Als Säulen sind die in einer Spalte übereinander angeordneten Regalböden zu verstehen. Die Schilder für die einzelnen Regalfächer werden jeweils im rechten oberen Winkel angebracht. Dazu sollen Einstecktaschen befestigt werden, so dass Schilder getauscht werden können, wenn sich der Inhalt eines Regalfaches ändert. Diese Beschriftungen sind zweigeteilt. Zum Einen finden sich auf ihnen der Inhalt des konkreten Regalfaches und zum anderen das Oberthema, dem es zugeordnet ist (Bsp. Schalter à befindet sich im Fach „Energie: Schalter, Kabel, Taster, Motor,…“). So ist es zudem auch möglich durch das Anbringen zusätzlicher Schilder an einem Regalfach eine Vernetzung zwischen den Themen deutlich zu machen (auch im Sinne von: alles ist mit allem zu benutzen). So können bspw. Wasserrad und Wasserturbine in einem Fach stehen, welches sowohl mit Wasser als auch mit Energie als auch mit Konstruieren beschriftet ist.

Bestimmte Materialien (solche, die in Kisten aufbewahrt werden) sollen mit farbigen Klebepunkten versehen werden, so dass sie wieder in die richtige Kiste (mit entsprechendem Punkt/Symbol) zurücksortiert werden können.

Impulse

Ein Problem, welches sich zum Ende des Seminars herauskristallisiert hat, ist, dass das Material an sich möglicherweise nicht in einem umfassenden Maß anregt, um sich eine längere Zeit intensiv und qualitativ damit auseinanderzusetzen. Daher ist es besonders wichtig, Impulse und Ideen zu formulieren, die dazu anregen sich mit dem Material und darüber hinaus auseinanderzusetzen. Die Impulse bieten eine gute Möglichkeit, vorhandene Themen zu vernetzen, auf die Umgangsweisen einzugehen und BNE zu berücksichtigen. Orientierung bietet dabei bereits vorhandenes Material („Nicht in die Schultüte gelegt“ (Pech, u.a.); „Lernlandschaft Sachunterricht: Wetter&Klima“ (Pech, u.a.)), das auf Grundlage der Umgangsweisen entwickelt wurde. Diese Impulse sollen auf Karten gedruckt werden, welche dann in den verschiedenen Regalfächern ausgelegt werden können. Das Design für die Karten ist erstellt. Die Studierenden formulieren Impulse, so dass am Ende des Semesters ein Grundstock von ungefähr 25 Impulsen vorhanden sein wird, welcher mit der Zeit in anderen Seminaren erweitert werden kann.

Ausblick

Im Zuge der Erarbeitung des Konzeptes wurden auch noch allgemeinere Aspekte diskutiert:

So war ein bestimmender Bereich der Diskussion die Frage nach der Zielgruppe des Raumes, da einige Studierende diese als maßgeblich für die Gestaltung und Aufbereitung des Raumes angesehen haben. Im Gespräch wurde sich dann darauf verständigt, dass der Raum für verschiedene Gruppen da sein soll, in erster Linie allerdings für Kinder. Diese können hier selbstgesteuert arbeiten und lernen. Die zweite Zielgruppe sind Studierende. Dabei lassen sich verschiedene Schwerpunkte ausmachen: der Raum soll im Zuge von Seminaren weiterentwickelt werden. So sollen weitere Themenbereiche und weitere Impulse hinzukommen. Der Raum an sich oder bestimmte Materialien sollen von Studierenden genutzt werden, um im Rahmen der Seminare mit Kindern zu arbeiten. Schließlich können noch Materialien entliehen werden, die bspw. für Unterrichtspraktika benötigt werden. Als drittes bietet der Raum auch die Möglichkeit Fortbildungsangebote für LehrerInnen anzubieten.

Es wurden auch Regeln für den Raum diskutiert. Wobei auf den Begriff „Regel“ verzichtet werden soll, da dieser stark mit Schule verbunden ist und Regeln oft negativ, als Verbote formuliert sind. Nichtsdestotrotz hat sich das Seminar für einige verbindliche „Möglichkeiten“ entschieden. Dabei sollte jedoch beachtet werden, positiv, die Möglichkeiten des Raumes betreffend zu formulieren.

  • Du kannst alle Sachen im Raum benutzen.
  • Lege die Sachen, wenn du sie nicht mehr benutzt, an ihren Platz zurück, damit die anderen sie wiederfinden .
  • Wenn du eine Idee brauchst, kannst du in die Ideenkiste schauen.

 

Literatur

Bolland, A. (2004): Lernwerkstätten und Sachunterricht. In: A. Kaiser & D. Pech, (Hrsg.), Basiswissen Sachunterricht, Band 5. Unterrichtsplanung und Methoden. Baltmannsweiler: Schneider Verlag Hohengehren, S. 177-186.

Haan, G. de (2008): Gestaltungskompetenz als Kompetenzkonzept für Bildung für nachhaltige Entwicklung. In: Bormann, I.; Haan, G. de (Hrsg.): Kompetenzen der Bildung für nachhaltige Entwicklung. Operationalisierung, Messung, Rahmenbedingungen, Befunde, Wiesbaden: VS-Verlag, S. 23-44.

Köster, H. (2006). Freies Explorieren und Experimentieren mit physikalischen Phänomenen im Sachunterricht. In: G. Lück & H. Köster (Hrsg.), Physik und Chemie im Sachunterricht (S.43-56). Braunschweig: Westermann.

Möller, K. (2006). Naturwissenschaftliches Lernen - eine (neue) Herausforderung für den Sachunterricht. In: P. Hanke (Hrsg.), Grundschule in Entwicklung. Herausforderungen und Perspektiven für die Grundschule heute (S. 107-127). Münster: Waxmann.

Pech, D. & Rauterberg, M. (2008). Auf den Umgang kommt es an. „Umgangsweisen“ als Ausgangspunkt einer Strukturierung des Sachlernens – Skizze der Entwicklung eines „Bildungsrahmen Sachunterrichts“. widerstreit-sachunterricht, 5. Beiheft, 1-72.

Rauterberg, M. (2007). Sachunterricht und Konstruktivismus. Analyse eines Verhältnisses. widerstreit-sachunterricht, 8, 1-12.

Schomaker, C., Pech, D., Lux, J., Murmann, L., Spitta, P. & Wagner, T. (2009). Lernlandschaft Sachunterricht. Wetter & Klima. Donauwörth: Verlag für pädagogische Medien.

Stoltenberg, U. (2004). Sachunterricht: Innovatives Lernen für eine nachhaltige Entwicklung. In: A. Kaiser & D. Pech, (Hrsg.), Basiswissen Sachunterricht, Band 2. Neuere Konzeptionen und Zielsetzungen im Sachunterricht. Baltmannsweiler: Schneider Verlag Hohengehren, S. 58-66.

Wedekind, H. (2011). Eine Geschichte mit Zukunft. 30 Jahre Lernwerkstatt. Grundschule, 6, S.6-10.