Humboldt-Universität zu Berlin - Kultur-, Sozial- und Bildungswissenschaftliche Fakultät - Allgemeine Grundschulpädagogik

Optimierungsdruck im Kontext von Migration: Eine diskurs- und biographieanalytische Untersuchung zu Subjektivationsprozessen

Dr. Niels Uhlendorf

 

In dem Dissertationsvorhaben wurden gesellschaftliche Anrufungen der (Selbst-)Optimierung im Kontext von Migration untersucht. Der Begriff der Optimierung bezieht sich dabei auf instrumentelle Strategien, mittels derer Bereiche der eigenen Lebensführung fortlaufend verbessert werden, um sozial wettbewerbsfähig zu bleiben. Während dies einerseits als kulturell etablierte Leitkategorie der Spätmoderne verstanden werden kann (vgl. Bröckling 2007; King et al. 2014), verbindet sie sich in besonderer Weise mit migrationsgesellschaftlichen und rassistischen Ordnungen (vgl. u.a. Lentin/Titley 2011). Die damit einhergehen Anforderungen und deren inhärente Aporien und Widersprüche wurden im Rahmen der Arbeit rekonstruiert und in Bezug auf biografische Aneignungsweisen analysiert.  

Im empirischen Teil der Arbeit wurden dafür machtvolle Wissensregime im Verhältnis zu biografischen Selbstkonstruktionen in den Blick genommen. Anrufungen zur (Selbst-)Optimierung wurden im Verhältnis zu Subjektivierungsweisen am Beispiel von (formell) ‚bildungserfolreichen‘ Deutsch-Iraner_innen rekonstruiert. Der wechselseitige Bezug zwischen Anrufung und Subjektivation ist dabei durch eine Verbindung aus Diskurs- und Biografieanalyse herausgearbeitet worden (vgl. Schürmann et al. 2018), d.h. es sind Subjektmodelle in öffentlichen Repräsentationen von Deutsch-Iraner_innen im Kontrast zu biografischen Interviews ausgewertet worden. Im Vordergrund stand dabei die Frage, inwieweit und ggf. mit welchen unterschiedlichen Aneignungsweisen als ‚bildungserfolgreiche Deutsch-Iraner_innen‘ adressierte Subjekte sich auf die rekonstruierten Anrufungen beziehen. Hierbei zeigten sich ambivalente Positionierungen zwischen antimuslimischen Zuschreibungen und Diskursen um das Humankapital einer ‚imaginierten Gemeinschaft‘ (Anderson 1991). In Anlehnung an diese Ergebnisse wurden Paradoxien und Widersprüche von Optimierungsanforderungen und -versprechen diskutiert.

 

Weiterführende Links:

Link zum Buch (VÖ 2018): https://www.springer.com/de/book/9783658229177

Rezension zum Buch in der Erziehungswissenschaftlichen Revue: https://www.klinkhardt.de/ewr/978365822917.html

 

Quellen:

Anderson, B. (1991): Imagined Communities. Reflections on the Origin and Spread of Nationalism. London: Verso.

Bröckling, U. (2007): Das unternehmerische Selbst. Soziologie einer Subjektivierungsform.

Frankfurt/M.: Suhrkamp.

King, V./Lindner, D./Schreiber, J./Busch, K./Uhlendorf, N./Beerbom, Ch./Salfeld-Nebgen, B./Rosa, H. (2014): Optimierte Lebensführung – wie und warum sich Individuen den Druck zur Selbstverbesserung zu eigen machen. In: Kluge, S./Lohmann, I./Steffens, G. (Hrsg.): Jahrbuch für Pädagogik 2014: Menschenverbesserung – Transhumanismus. Berlin: Peter Lang, S. 283-299

Lentin, A./Titley, G. (2011): The Crises of Multiculturalism. Racism in a Neoliberal Age. London/New York: Zed Books.

Schürmann, Lena/Pfahl, Lisa /Traue, Boris (2018): Subjektivierungsanalyse. In: Akremi, Leila/Baur, Nina/Knoblauch, Hubert/Traue, Boris (Hrsg.): Handbuch Interpretativ forschen. Weinheim: Beltz-Juventa, S. 858-885